B.II.1 Örtliche Bauvorschriften i. S. d. § 88 LBauO

 

§ 88 LBauO ermächtigt die Gemeinden zum Erlass von örtlichen Bauvorschriften in Form einer kommunalen Satzung. Als mögliche Regelungsgegenstände für örtliche Bauvorschriften sieht § 88 LBauO vor:

  • baugestalterische Anforderungen einschließlich der Begrünung baulicher Anlagen sowie der Anpflanzung von Bäumen und Sträuchern (Abs. 1 und 2);
  • Modifikation der Regelung über die Stellplatzverpflichtung in § 47 LBauO einschließlich der Begründung der Pflicht zur Herstellung von Fahrradabstellplätzen (Abs. 3);
  • weitere Regelungsgegenstände einschließlich der Vorgabe, dass im Gemeindegebiet oder in Teilen des Gemeindegebiets im Interesse des Klimaschutzes bei vor dem 1. Januar 2009 errichteten Gebäuden anteilig erneuerbare Energien zu nutzen sind (Abs. 4).

 

1.1 Wesentliche Merkmale

Örtliche Bauvorschriften sind vor allem durch die folgenden Eigenschaften gekennzeichnet:

  • Entsprechend der Verankerung ihrer Ermächtigungsgrundlage in § 88 LBauO stellen örtliche Bauvorschriften kommunale Gefahrenabwehrregelungen dar. Ihr Regelungszweck unterscheidet sich daher von den städtebaurechtlichen Instrumenten, die der Ausgestaltung der Nutzbarkeit von Grund und Boden dienen.
  • Örtliche Bauvorschriften können nach § 9 Abs. 4 BauGB i. V. m. § 88 Abs. 6 S. 1 LBauO als Festsetzungen in den Bebauungsplan aufgenommen werden.

 

1.2 Besonders praxisrelevante Rechtmäßigkeitsanforderungen

1.2.1 Formelle Rechtmäßigkeitsanforderungen

Für örtliche Bauvorschriften außerhalb von Bebauungsplänen ergeben sich die formellen Rechtmäßigkeitsanforderungen in erster Linie aus § 88 Abs. 5 S. 1 LBauO i. V. m. § 24 GemO. Werden örtliche Bauvorschriften dagegen gemäß § 9 Abs. 4 BauGB i. V. m. § 88 Abs. 6 S. 1 LBauO als Festsetzungen in den Bebauungsplan integriert, findet § 88 Abs. 5 LBauO keine Anwendung (§ 88 Abs. 6 S. 2 Halbs. 2 LBauO), vielmehr gelten die in § 88 Abs. 6 S. 2 Halbs. 1 LBauO in Bezug genommenen Anforderungen des BauGB für die Aufstellung von Bebauungsplänen.

1.2.2 Materielle Rechtmäßigkeitsanforderungen

In materieller Hinsicht müssen örtliche Bauvorschriften die Grenzen ihrer Rechtsgrundlage in § 88 Abs. 1 bis 4 LBauO beachten. Sie dürfen darüber hinaus nicht unverhältnismäßig in das Eigentumsgrundrecht der Regelungsbetroffenen eingreifen.

1.2.3 Fehlerfolgen

Rechtswidrige örtliche Bauvorschriften außerhalb von Bebauungsplänen sind nichtig, sofern nicht die Fehlerfolgenregelung des § 24 Abs. 6 GemO i. V. m. § 88 Abs. 5 S. 1 LBauO greift. Für in den Bebauungsplan als Festsetzungen integrierte örtliche Bauvorschriften kommt gemäß § 88 Abs. 6 S. 2 LBauO die auch für Bebauungspläne geltende Fehlerfolgenregelung in den §§ 214 und 215 BauGB zur Anwendung.

 

1.3 Steuerungspotential im Hinblick auf die Umsetzung klima- und energiepolitischer Zielsetzungen

Örtliche Bauvorschriften eignen sich – gerade im Falle ihrer Integration als Festsetzungen in den Bebauungsplan – sehr gut zur Umsetzung klima- und energiepolitischer Zielsetzungen. Zwar dürfte die Ermächtigung zur Regelung der Begrünung baulicher Anlagen sowie der Anpflanzung von Bäumen und Sträuchern in § 88 Abs. 1 Nr. 7 LBauO keine über die Festsetzungsmöglichkeit des § 9 Abs. 1 Nr. 25 Buchst. a BauGB hinausgehenden Regelungsbefugnisse eröffnen. Von erheblicher Bedeutung ist jedoch die auf zunächst auf § 3 Abs. 4 Nr. 2 EEWärmeG, inzwischen auf § 56 Nr. 2 GEG gestützte Ermächtigung in § 88 Abs. 4 Nr. 3 LBauO, der zufolge Gemeinden durch örtliche Bauvorschrift bestimmen können, dass im Gemeindegebiet oder in Teilen des Gemeindegebiets im Interesse des Klimaschutzes bei vor dem 1. Januar 2009 errichteten Gebäuden anteilig erneuerbare Energien zu nutzen sind. Bei Vorgaben an die äußere Gestaltung von Gebäuden (§ 88 Abs. 1 Nr. 1 LBauO) ist zu beachten, dass diese als bauordnungsrechtliche Regelungen gestalterischen Gründen Rechnung tragen müssen und nicht primär der Umsetzung klima- und energiepolitischer Zielsetzungen dienen dürfen.

 

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