B.I.2 Städtebaulicher Vertrag

 

Neben der Bauleitplanung stellt der städtebauliche Vertrag ein wesentliches Instrument zur Umsetzung städtebaulicher Ziele dar. Der städtebauliche Vertrag ist in § 11 BauGB geregelt. Das Gesetz enthält keine Definition des städtebaulichen Vertrags. § 11 Abs. 1 S. 2 BauGB nennt lediglich beispielhaft zulässige Grundmodelle und Regelungsinhalte städtebaulicher Verträge. Hieraus ist jedoch auf ein weites Begriffsverständnis zu schließen. Städtebaulich ist danach ein Vertrag, wenn er sich auf Regelungen oder Maßnahmen des Städtebaurechts bezieht.[1]

Zu den vertraglichen Regelungen zugänglichen städtebaulichen Maßnahmen zählen die im BauGB erwähnten Maßnahmen, insbesondere die Bauleitplanung, die Bodenordnung, die Freilegung und Sanierung von Grundstücken, die Erschließung, städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen und die damit im Zusammenhang stehenden Vorbereitungs- und Durchführungsmaßnahmen. Reine Grundstücksgeschäfte der Kommunen, die nicht mit städtebaulichen Maßnahmen verknüpft werden, sind dagegen keine städtebaulichen Verträge.[2] Ebenfalls keinen städtebaulichen Vertrag stellt die entgeltliche Beauftragung von Werkunternehmern oder Dienstleistern durch die Gemeinde zur Erstellung von Planunterlagen dar.

 

2.1 Wesentliche Merkmale

Für den städtebaulichen Vertrag sind insbesondere folgende Eigenschaften charakteristisch:

  • Rechtsnatur:
    Der städtebauliche Vertrag kann öffentlich-rechtlicher wie privatrechtlicher Natur sein. Für die Abgrenzung kommt es auf den konkreten Gegenstand des Vertrags und dessen Zuordnung zum öffentlichen oder privaten Recht an.[3] Enthält ein städtebaulicher Vertrag sowohl öffentlich-rechtliche als auch privatrechtliche Bestandteile, ist für die Zuordnung entscheidend, ob die vertraglichen Vereinbarungen ihrem Schwerpunkt nach öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich ausgestaltet sind und welcher Teil dem Vertrag das entscheidende Gepräge gibt.[4]
     
  • Regelungsgegenstand:
    Im Gegensatz zum Bebauungsplan, bei dem die Festsetzungsmöglichkeiten gesetzlich abschließend vorgegeben sind, sind die zulässigen Inhalte eines städtebaulichen Vertrags in § 11 Abs. 1 BauGB nicht erschöpfend geregelt. § 11 Abs. 1 S. 2 BauGB nennt lediglich beispielhaft („insbesondere“) mögliche Regelungsgegenstände. Die Zulässigkeit des Regelungsgegenstands eines städtebaulichen Vertrags ergibt sich folglich allein aus dessen Qualifizierung als „städtebaulich“.
     
  • Vertragsparteien:
    Städtebauliche Verträge werden von einer Gemeinde (vgl. § 11 Abs. 1 S. 1 BauGB) mit einem oder mehreren Privaten – natürliche Personen, rechtsfähige Personenmehrheiten des Privatrechts (z. B. Gesellschaft bürgerlichen Rechts, offene Handelsgesellschaft) oder juristische Personen des Privatrechts (z. B. GmbH, AG) – geschlossen. Als Vertragspartner der Gemeinde kommen vor allem Grundeigentümer, Bauträgergesellschaften, Projektentwickler oder Erschließungsträger in Betracht. Nach § 11 Abs. 1 S. 3 BauGB kann die Gemeinde städtebauliche Verträge auch mit einer juristischen Person abschließen, an der sie beteiligt ist, z. B. mit einer kommunalen Entwicklungsgesellschaft.


2.2 Besonders praxisrelevante Rechtmäßigkeitsanforderungen

2.2.1 Formelle Rechtmäßigkeitsanforderungen

In formeller Hinsicht ist vor allem das Schriftformerfordernis zu beachten. § 11 Abs. 3 BauGB sieht vor, dass ein städtebaulicher Vertrag der Schriftform bedarf, soweit nicht durch Rechtsvorschrift eine andere Form vorgeschrieben ist. Dies gilt vor allem für städtebauliche Verträge, die (auch) eine Regelung enthalten, die eine Vertragspartei zur Übertragung bzw. zum Erwerb des Eigentums an einem Grundstück verpflichtet. Hier verlangt § 311b Abs. 1 S. 1 BGB die notarielle Beurkundung (vgl. § 128 BGB).

2.2.2 Materielle Rechtmäßigkeitsanforderungen

Anforderungen an die materielle Rechtmäßigkeit eines städtebaulichen Vertrags ergeben sich insbesondere aus dem Angemessenheitsgebot und dem Koppelungsverbot. § 11 Abs. 2 S. 1 BauGB verlangt, dass die (im städtebaulichen Vertrag) vereinbarten Leistungen den gesamten Umständen nach angemessen sein müssen. Es ist dementsprechend eine Gesamtbetrachtung der von den Vertragspartnern zu erbringenden Leistungen vorzunehmen. Hierfür ist zunächst deren Wert zu ermitteln.

Das in § 11 Abs. 2 S. 2 BauGB verankerte Koppelungsverbot besagt, dass die Vereinbarung einer vom Vertragspartner (der Gemeinde) zu erbringenden Leistung unzulässig ist, wenn er auch ohne diese Leistung einen Anspruch auf die Gegenleistung (der Gemeinde) hätte. Hieraus ergeben sich zwei inhaltliche Vorgaben: Zum einen darf durch einen städtebaulichen Vertrag nichts miteinander verknüpft werden, was nicht ohnehin schon in einem „inneren Zusammenhang“ steht; zum anderen darf der Vertrag nicht zu einem „Verkauf von Hoheitsakten“ führen.[5]

2.2.3 Fehlerfolgen

Ein unter Verletzung der gesetzlichen Rechtmäßigkeitsanforderungen zustande gekommener städtebaulicher Vertrag ist nichtig. Für dem Privatrecht zuzuordnende städtebauliche Verträge gelten die Nichtigkeitsregelungen des BGB unmittelbar, für öffentlich-rechtliche städtebauliche Verträge mittelbar über die Verweisungskette des § 1 Abs. 1 LVwVfG i. V. m. § 59 Abs. 1 VwVfG.

Die Nichtigkeit des gegen die Formvorschriften der §§ 11 Abs. 3 BauGB, 311b Abs. 1 S. 1 verstoßenden städtebaulichen Vertrags ergibt sich somit aus § 125 S. 1 BGB, ggf. i. V. m. § 1 Abs. 1 LVwVfG i. V. m. § 59 Abs. 1 VwVfG (s. aber § 311b Abs. 1 S. 2 BGB).

Ein unangemessener städtebaulicher Vertrag ist nach § 134 BGB (ggf. i. V. m. § 1 Abs. 1 LVwVfG i. V. m. § 59 Abs. 1 VwVfG) nichtig. Dies gilt auch für privatrechtliche städtebauliche Verträge, die im Widerspruch zum Koppelungsverbot stehen. Für koppelungsverbotswidrige öffentlich-rechtliche städtebauliche Verträge resultiert die Nichtigkeitsfolge aus § 1 Abs. 1 LVwVfG i. V. m. § 59 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG.

Die Nichtigkeit eines Teils des städtebaulichen Vertrags führt im Regelfall zur Nichtigkeit des gesamten Vertrags (§ 139 BGB bzw. § 1 Abs. 1 LVwVfG i. V. m. § 59 Abs. 3 VwVfG).

2.3 Steuerungspotential im Hinblick auf die Umsetzung klima- und energiepolitischer Zielsetzungen

Das Steuerungspotential städtebaulicher Verträge im Hinblick auf die Umsetzung klima- und energiepolitischer Zielsetzungen ist erheblich. Aufgrund der limitierten Steuerungswirkung des Bebauungsplans bewirkt der städtebauliche Vertrag aufgrund der Offenheit seiner Regelungsgegenstände eine deutliche Erweiterung der Steuerungsoptionen der Gemeinde. Dabei kann die vertragliche Umsetzung klima- und energiepolitischer Zielsetzungen zu den Vorgaben des Bebauungsplans hinzutreten, z. B. bei einem durch städtebauliche Verträge flankierten Angebotsbebauungsplan, oder auch losgelöst von der Bebauungsplanung erfolgen, z. B. bei der Veräußerung gemeindlicher Grundstücke.

 


[1] Hoffmann, in: Spannowsky/Uechtritz, BeckOK BauGB, 58. Edition (Stand: 01.03.2023), § 11 Rn. 2.

[2] Hoffmann, in: Spannowsky/Uechtritz, BeckOK BauGB, 58. Edition (Stand: 01.03.2023), § 11 Rn. 2.

[3] BVerwG, Urteil vom 11.02.1993 – 4 C 18/91 –, juris Rn. 25.

[4] Hoffmann, in: Spannowsky/Uechtritz, BeckOK BauGB, 58. Edition (Stand: 01.03.2023), § 11 Rn. 4.

[5] Grundlegend BVerwG, Urteil vom 06.07.1973 – IV C 22/72 –, juris Rn. 24.

 

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