B.I.1.2 Bebauungsplan

 

Nach § 8 Abs. 1 S. 1 BauGB enthält der Bebauungsplan die rechtsverbindlichen Festsetzungen für die städtebauliche Ordnung.

 

1.2.1 Wesentliche Merkmale

Der Bebauungsplan ist vor allem durch die folgenden Eigenschaften gekennzeichnet:

  • Rechtsnatur:
    Der Bebauungsplan wird nach § 10 Abs. 1 BauGB von der Gemeinde als Satzung beschlossen. Als kommunale (exekutive) Rechtsnorm verfügt er über Außenwirkung. Seine Festsetzungen bestimmen insbesondere Inhalt und Schranken des grundrechtlich geschützten Eigentums an den Grundstücken im Plangebiet (Art. 14 GG).
     
  • Plangebiet:
    Im Gegensatz zum Flächennutzungsplan setzt der Bebauungsplan gemäß § 9 Abs. 7 BauGB die Grenzen seines räumlichen Geltungsbereichs fest und bestimmt damit seinen Planumgriff selbst. Dies kann das gesamte Gemeindegebiet sein. Im Regelfall beschränkt sich das Plangebiet jedoch auf einen Teil hiervon.
     
  • Planinhalt:
    Die zulässigen Inhalte des Bebauungsplans sind im BauGB abschließend geregelt. Anders als beim Flächennutzungsplan ist der Katalog von Festsetzungsmöglichkeiten in § 9 BauGB nicht erweiterbar („können … festgesetzt werden“). Der Gemeinde steht folglich kein Festsetzungserfindungsrecht zu. Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 BauGB können gemäß § 1 Abs. 3 S. 1 BauNVO in der Weise erfolgen, dass die in § 1 Abs. 2 BauNVO bezeichneten verschiedenen Baugebiete festgesetzt werden. Durch die Festsetzung eines Baugebietstyps werden die diesen konkretisierenden Vorschriften der §§ 2 bis 14 BauNVO nach § 1 Abs. 3 S. 2 BauGB Bestandteil des Bebauungsplans, soweit keine Feinsteuerung auf der Grundlage von § 1 Abs. 4 bis 10 BauNVO erfolgt.
     
  • Planungsträger:
    Die Verbandszuständigkeit für die Aufstellung eines Bebauungsplans liegt bei den rheinland-pfälzischen Gemeinden. Dies gilt auch für Ortsgemeinden, die einer Verbandsgemeinde angehören. Anders als bei der Flächennutzungsplanung ist die Zuständigkeit für die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht auf die Verbandsgemeinde übertragen. Die Organzuständigkeit für die Aufstellung eines Bebauungsplans liegt beim (Orts-)Gemeinderat (§ 32 Abs. 1 S. 2 GemO).
     
  • Sonderformen:
    Eine besondere Erscheinungsform des Bebauungsplans stellt der vorhabenbezogene Bebauungsplan nach § 12 BauGB dar, der die hoheitliche Bebauungsplanung mit kooperativen Elementen (Vorhaben- und Erschließungsplan, Durchführungsvertrag) verknüpft und sich insbesondere dadurch auszeichnet, dass die Gemeinde nicht an den Festsetzungskatalog des § 9 Abs. 1 BauGB und die BauNVO gebunden ist. Daneben regelt das BauGB in § 13a BauGB den Bebauungsplan der Innenentwicklung, der im beschleunigten Verfahren erlassen wird und mit zahlreichen Erleichterungen hinsichtlich der formellen und materiellen Rechtmäßigkeitsanforderungen verbunden ist. Mit dem erstmals 2017 befristet eingeführten § 13b BauGB wurde der Anwendungsbereich des beschleunigten Verfahrens einschließlich der damit einhergehenden Erleichterungen unter bestimmten Voraussetzungen auf die Überplanung von Außenbereichsflächen erstreckt. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 18.07.2023 jedoch entschieden, dass das beschleunigte Verfahren nach § 13b BauGB mit Unionsrecht unvereinbar ist und die Vorschrift wegen des Vorrangs des Unionsrechts nicht angewendet werden darf.[1]

 

1.2.2 Besonders praxisrelevante Rechtmäßigkeitsanforderungen

1.2.2.1 Formelle Rechtmäßigkeitsanforderungen

In formeller Hinsicht hat die Gemeinde insbesondere nach § 2 Abs. 3 BauGB die Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind, das sog. Abwägungsmaterial, zu ermitteln und zu bewerten. Für die Belange des Umweltschutzes nach § 1 Abs. 6 Nr. 7 BauGB und § 1 a BauGB wird dabei gemäß § 2 Abs. 4 S. 1 BauGB eine Umweltprüfung durchgeführt, in der die voraussichtlichen erheblichen Umweltauswirkungen der Planverwirklichung ermittelt und in einem Umweltbericht nach Maßgabe der Anlage 1 zum BauGB beschrieben und bewertet werden. Zu den Umweltschutzbelangen zählen nach § 1 Abs. 6 Nr. 7 BauGB auch die Auswirkungen des Bebauungsplans auf das Klima (Buchst. a) und die Nutzung erneuerbarer Energien sowie die sparsame und effiziente Nutzung von Energie (Buchst. f).

Weitere wesentliche formelle Rechtmäßigkeitsanforderungen sind die Durchführung der Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung (§§ 3 bis 4a BauGB), die Begründung des Bebauungsplans einschließlich des Umweltberichts (§ 9 Abs. 8 BauGB) sowie der Satzungsbeschluss und dessen ortsübliche Bekanntmachung (§ 10 Abs. 1 und 3 BauGB).

In bestimmten Fällen kann von Verfahrensprivilegierungen Gebrauch gemacht werden, die in der Planungspraxis eine bedeutende Rolle spielen.  In den in § 13 Abs. 1 S. 1 BauGB genannten Fällen kann ein Bebauungsplan im vereinfachten Verfahren, d. h. unter erleichterten Verfahrensanforderungen, aufgestellt bzw. geändert oder ergänzt werden. Daneben besteht in gesetzlich abschließenden benannten Fällen die Möglichkeit, einen Bebauungsplan im beschleunigten Verfahren nach § 13a BauGB aufzustellen. Von dem erstmals 2017 befristet eingeführten beschleunigten Verfahren nach § 13b BauGB kann hingegen kein Gebrauch gemacht werden. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 18.07.2023 entschieden, dass das beschleunigte Verfahren nach § 13b BauGB mit Unionsrecht unvereinbar ist und die Vorschrift wegen des Vorrangs des Unionsrechts nicht angewendet werden darf (B.I.1.2).

1.2.2.2 Materielle Rechtmäßigkeitsanforderungen

Die materielle Rechtmäßigkeit eines Bebauungsplans setzt zunächst voraus, dass dieser i. S. d. § 1 Abs. 3 S. 1 BauGB erforderlich ist. Dies ist der Fall, wenn es vernünftigerweise geboten ist, die städtebauliche Entwicklung im Wege der verbindlichen Bauleitplanung zu ordnen.[2]  Die Erforderlichkeit ist dabei insbesondere in drei Fallgruppen zu verneinen:

  • Wenn die Bebauungsplanung kein positives Planungsziel verfolgt (sog. Verhinderungsplanung),
  • wenn die Bebauungsplanung ausschließlich privaten Interessen zu dienen bestimmt ist (sog. Gefälligkeitsplanung) oder
  • wenn der Verwirklichung der Bebauungsplanung auf absehbare Zeit rechtliche oder tatsächliche Hindernisse entgegenstehen.[3]

Darüber hinaus hat die Bebauungsplanung die gesetzlichen Planungsleitsätze, die sog. Planungsschranken, zu beachten. Hierzu zählen die Anpassungspflicht im Hinblick auf die Ziele der Raumordnung (§ 1 Abs. 4 BauGB), fachplanerische Vorgaben (z. B. § 15 Abs. 1 S. 2 NABEG) das Gebot der interkommunalen Rücksichtnahme (§ 2 Abs. 2 BauGB), die Natura 2000-Verträglichkeit (§ 1a Abs. 4 BauGB i. V. m. §§ 36 und 34 BNatSchG), die Entwicklung aus dem Flächennutzungsplan (§ 8 Abs. 2 bis 4 BauGB) sowie die Vereinbarkeit mit dem abschließenden Festsetzungskatalog des § 9 Abs. 1 BauGB i. V. m. der BauNVO.

Als spezielle, nach Einhaltung der vorstehenden gesetzlichen Planungsleitsätze noch zu beachtende Planungsschranke gibt § 1 Abs. 7 BauGB schließlich vor, dass bei der Aufstellung des Bebauungsplans die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen sind (sog. Abwägungsgebot). Nach der von der Rechtsprechung entwickelten Abwägungsdogmatik reicht die Planungshoheit der Gemeinde dabei so weit, wie der Abwägungsvorgang und das Abwägungsergebnis keine Fehler aufweisen.[4]

1.2.2.3 Fehlerfolgen

Ein Verstoß gegen formelle oder materielle Rechtmäßigkeitsanforderungen führt nur dann zur Nichtigkeit des Bebauungsplans, wenn es sich um einen nach § 214 BauGB bzw. Kommunalrecht beachtlichen Fehler handelt, dieser nicht gemäß § 215 BauGB bzw. § 24 Abs. 6 GemO unbeachtlich geworden ist und auch kein ergänzendes Verfahren zur Heilung des beachtlichen (bau- oder kommunalrechtlichen) Fehlers nach § 214 Abs. 4 BauGB durchgeführt wurde.

 

1.2.3 Steuerungspotential im Hinblick auf die Umsetzung klima- und energiepolitischer Zielsetzungen

Die mit ihm verbundene Möglichkeit der Gemeinde, parzellenscharfe Vorgaben zur baulichen Nutzung von Grundstücken zu machen, lässt den Bebauungsplan auf den ersten Blick als ein besonders geeignetes Instrument für die Umsetzung klima- und energiepolitischer Zielsetzungen erscheinen. Tatsächlich erweisen sich die in § 9 Abs. 1 BauGB abschließend vorgegebenen Festsetzungsmöglichkeiten insoweit jedoch als lückenhaft und vielfach nicht zielführend:

  • So kann etwa die Energieversorgung im Baugebiet nicht vorgeschrieben werden.
  • Weiterhin ist keine Vorgabe zu den zu verwendenden Baustoffen möglich.
  • Schließlich ist auch die Festsetzung bestimmter Energiestandards unzulässig.

Zulässig sind aber beispielsweise folgende umwelt- und energiebezogenen Festsetzungen:

  • Vorgabe von Dach-/Fassadenbegründung (§ 9 Abs. 1 Nr. 25 BauGB).
  • Festsetzung der Pflicht zum Einbau (nicht allerdings zur Nutzung!) von Photovoltaikanlagen (§ 9 Abs. 1 Nr. 23 b) BauGB).
  • Untersagung der Verwendung bestimmter Heizstoffe, sog. Verbrennungsverbot (§ 9 Abs. 1 Nr. 23 a) BauGB).

Siehe hierzu im Einzelnen die Lösungsansätze für praktisch bedeutsame Planungsszenarien in den Bereichen Klimaschutz, Energie und Klimawandelanpassung (C).

 


[1] BVerwG, Urteil vom 18.07.2023 - 4 CN 3.22.

[2] OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29.07.2020 – 8 C 11423/19.OVG –, juris Rn. 46.

[3] Dirnberger, in: Spannowsky/Uechtritz, BeckOK BauGB, 58. Edition (Stand: 01.08.2021), § 1 Rn. 38 ff.

[4] Grundlegend BVerwG, Urteil vom 14.02.1975 – IV C 21.74 –, juris Rn. 37.

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