A.V.3 Rechtliche Vorgaben an bebauungsplanerische Festsetzungen

 

Für die städtebauliche Umsetzung klima- und energiepolitischer Zielsetzungen stehen Gemeinden verschiedene Handlungsinstrumente zur Verfügung (B). Das klassische Instrument stellt dabei der Bebauungsplan dar. Festsetzungen als planerische Kerninhalte von Bebauungsplänen müssen jedoch bestimmte rechtliche Anforderungen erfüllen:

  • Jede Festsetzung bedarf einer Rechtsgrundlage:
    In einem Bebauungsplan sind nur solche Festsetzungen zulässig, die in dem abschließenden Katalog des § 9 Abs. 1 BauGB (ggf. i. V. m. der BauNVO) enthalten sind. Auch wenn die Festsetzungsmöglichkeiten in den Bereichen Klimaschutz, Energie und Klimawandelanpassung begrenzt sind, ist es der Gemeinde nicht erlaubt, neue Festsetzungen „zu erfinden“. Die Gemeinde muss daher versuchen, ihre klima- und energiepolitischen Zielsetzungen durch den ergänzenden Einsatz weiterer Instrumente, insbesondere durch den Abschluss städtebaulicher Verträge, zu erreichen.
     
  • Jede Festsetzung bedarf einer städtebaulichen Rechtfertigung:
    Eine Festsetzung ist nur zulässig, wenn für sie ein städtebaulicher Grund gegeben ist. Dieser ist in der Begründung zum Bebauungsplan (§§ 2a, 10 Abs. 3 S. 2 BauGB) darzulegen.
     
  • Jede Festsetzung ist fehlerfrei abzuwägen:
    Bei der Aufstellung des Bebauungsplans muss die Gemeinde darauf achten, dass die einzelnen Festsetzungen das Abwägungsgebot (§ 1 Abs. 7 BauGB) beachten, also nicht an einem Abwägungsfehler leiden.

In der planerischen Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB erhalten die Themen Klimaschutz, Energie und Klimawandelanpassung aufgrund neuer gesetzlicher Vorgaben in jüngerer Zeit eine immer größere Bedeutung:

  • Planungsgrundsätze und Abwägungsbelange:
    Nach dem Planungsgrundsatz in § 1 Abs. 5 S. 2 BauGB soll der Bebauungsplan (u. a.) dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln sowie den Klimaschutz und die Klimaanpassung, insbesondere auch in der Stadtentwicklung, zu fördern. § 1 Abs. 6 BauGB nennt als bei der Aufstellung von Bebauungsplänen in der planerischen Abwägung insbesondere zu berücksichtigende Belange in Nr. 7 a) die Auswirkungen der Planverwirklichung auf das Klima und in Nr. 7 f) die Nutzung erneuerbarer Energien sowie die sparsame und effiziente Nutzung von Energie.
     
  • Klimaschutzgebote in Bundes- und Landesklimaschutzgesetz:
    Nach § 13 Abs. 1 S. 1 KSG und § 9 Abs. 2 LKSG ist der Belang des Klimaschutzes bei allen Planungen der öffentlichen Hand und damit auch bei der Bebauungsplanung zu berücksichtigen. Für die fachplanerische Abwägung im Fernstraßenrecht (§ 17 Abs. 1 S. 4 FStrG) hat das BVerwG zwar entschieden, dass dem gesetzlichen Klimaschutzgebot kein allgemeiner Vorrang gegenüber anderen (konkurrierenden) Belangen zukommt.[2] Dies dürfte daher auch für die strukturell vergleichbare planerische Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB gelten. Allerdings hat das BVerfG in seinem richtungsweisenden Klimaschutz-Beschluss hervorgehoben, dass das relative Gewicht des Klimaschutzgebots (im Verhältnis zu konkurrierenden Belangen) in der Abwägung bei fortschreitendem Klimawandel weiter zunimmt.[3] Es ist daher anzunehmen, dass das Klimaschutzgebot zumindest mittelfristig die Bedeutung einer Abwägungsdirektive annehmen wird, so dass diesem Belang im Regelfall Vorrang gegenüber anderen Belangen einzuräumen sein wird.
     
  • Energiefachrechtliche Abwägungsdirektive:
    Die Förderung Erneuerbarer Energien zur Stromerzeugung ist bereits seit dem 29.07.2022 vom Gesetzgeber als Abwägungsdirektive ausgestaltet und dementsprechend als – regelmäßig – vorrangiger Belang in der planerischen Abwägung zu behandeln. § 2 S. 2 und 3 EEG lautet: Bis die Stromerzeugung im Bundesgebiet nahezu treibhausgasneutral ist, sollen die erneuerbaren Energien als vorrangiger Belang in die jeweils durchzuführenden Schutzgüterabwägungen eingebracht werden. Satz 2 ist nicht gegenüber Belangen der Landes- und Bündnisverteidigung anzuwenden. Nach der Gesetzesbegründung „sollen die erneuerbaren Energien damit im Rahmen von Abwägungsentscheidungen u. a. gegenüber seismologischen Stationen, Radaranlagen, Wasserschutzgebieten, dem Landschaftsbild, Denkmalschutz […] nur in Ausnahmefällen überwunden werden“.[4]

[1] Abrufbar unter: https://www.umweltbundesamt.de/service/glossary (zuletzt abgerufen am 09.08.2023).

[2] BVerwG, Urteil vom 04.05.2022 – 9 A 7.21 –, juris Rn. 86.

[3] BVerfG, Beschluss vom 24.03.2021 – 1 BvR 2656/18 –, juris Rn. 198.

[4] BT-Drs. 20/1630, S. 159.

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