C.V.2 Nutzung von Niederschlagswasser

 

2.1 Ziel

Festsetzungen zur Beseitigung und Speicherung von Niederschlagswasser sowie zur Nutzung von Niederschlagswasser zur Gartenbewässerung oder für den Haushalt dienen einem nachhaltigen Niederschlagswassermanagement.

 

2.2 Festsetzungsbeispiel

Das von Niederschlägen aus dem Bereich von bebauten oder befestigten Flächen auf den Baugrundstücken abfließende Wasser (Niederschlagswasser) ist zu sammeln und auf dem Baugrundstück zu versickern.

 

2.3 Rechtsgrundlagen

Es ist umstritten, ob in einem Bebauungsplan verbindliche Vorgaben zur Nutzung von Niederschlagswasser als Brauchwasser etwa zur Gartenbewässerung oder für den Haushalt festgesetzt werden können. Das BVerwG hat dies in einer Entscheidung bereits vor über 20 Jahren verneint. Eine Festsetzung zur (Wieder-)Verwendung von Niederschlagswasser könne schon deshalb keine Rechtsgrundlage in § 9 Abs. 1 BauGB finden, da sie nicht den für Festsetzungen im Bebauungsplan erforderlichen bodenrechtlichen Bezug besitze. Der Einsatz des Niederschlagswassers zur Gartenbewässerung oder im Haushalt (z. B. Toilette oder Waschmaschine) soll keine Bodennutzung im Sinne des Städtebaurechts sein.[1] Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ist in einer aktuelleren Entscheidung von 2018 der Rechtsprechung des BVerwG gefolgt und hat eine Rechtsgrundlage für eine bauplanungsrechtliche Festsetzung hinsichtlich der Verpflichtung zur Zwischenspeicherung des Niederschlagswassers in Zisternen zur Ermöglichung einer Brauchwassernutzung abgelehnt.[2]

In der Literatur wird allerdings zunehmend die Auffassung vertreten, dass die vom BVerwG im Jahre 2001 vertretene Auffassung, insbesondere nach der „Klimaschutznovelle 2011“[3] nicht mehr haltbar ist. Festsetzungen in Bebauungsplänen hinsichtlich einer Sammlung von Regenwasser und Nutzung etwa zur Gartenbewässerung sollen grundsätzlich auf die Rechtsgrundlage des § 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB gestützt werden können. Die Verwendung von Niederschlagswasser stelle eine Maßnahme der Klimaanpassung dar, mit der einer zunehmende Austrocknung des Bodens entgegengewirkt werden kann.[4]

Gemeinden müssen sich bei der Entscheidung über die Aufnahme einer Festsetzung zur Nutzung von Niederschlagswasser dieser Rechtsunsicherheiten bewusst sein.

 

2.4 Städtebauliche Begründung

Die Festsetzung gewährleistet eine nachhaltige, ressourcenschonende städtebauliche Entwicklung (§ 1 Abs. 5 S. 1 BauGB), dient dem Klimaschutz sowie der Klimaanpassung (§§ 1 Abs. 5 S. 2, 1a Abs. 5 BauGB) und trägt wesentlichen Umweltbelange nach § 1 Abs. 6 Nr. 7 a) BauGB Rechnung.

Die Versickerung von Niederschlagswasser, das auf den Baugrundstücken zu sammeln ist, dient dazu, dass das Regenwasser im Wesentlichen wieder dem Grundwasser zugeleitet wird und damit auch die Grundwasserneubildungsrate im Plangebiet erhalten bleibt. Zudem leistet die Gemeinde mit dieser Festsetzung auch einen Beitrag zur Vorbeugung vor den Gefahren von Hochwasser durch Starkregenereignisse (§ 1 Abs. 6 Nr. 12 BauGB).

Sofern Gemeinden – in Kenntnis der bestehenden Rechtsunsicherheit (C.V.2.3) – Festsetzungen zur Nutzung von Niederschlagswasser in einen Bebauungsplan aufnehmen, kann als städtebauliche Begründung angeführt werden, dass die Vorgaben zur Brauchwassernutzung eine Maßnahme zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels darstellen (§§ 1 Abs. 5 S. 2, 1a Abs. 5 BauGB). Der Bedarf an Trinkwasser wird reduziert und etwa durch die Vorgabe der Gartenbewässerung mit Niederschlagswasser einer Austrocknung des Bodens entgegengetreten.

 


[1] BVerwG, Urteil vom 30.08.2001 – 4 CN 9/00 –, juris Rn. 19.

[2] BayVGH, Beschluss vom 13.04.2018 – 9 NE 17.1222 –, juris Rn. 40.

[3] Gesetz zur Förderung des Klimaschutzes bei der Entwicklung in den Städten und Gemeinden vom 22.07.2011 (BGBl. I 2011 S. 1509), in Kraft getreten am 30.07.2011.

[4] Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 15. Aufl. 2022, § 9 Rn. 115; Bayerisches Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr, Schreiben vom 27.07.2021 zum klimasensiblen Umgang mit Niederschlagswasser in der Bauleitplanung, Seite 4 f.; a.A. Spannowsky, in: Spannowsky/Uechtritz, BauGB, 4. Aufl. 2022, § 9 Rn. 83.4; Schrödter/Möller, in: Schrödter, BauGB, 9. Aufl. 2019, § 9 Rn. 137; Söfker; in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: Februar 2023, § 9 Rn. 119a.